Reden

Veröffentlicht am 16. August 2021 von Tobias Speckin

Diese Rede wurde von der sehr guten Ratsfrau Helena Arndt gehalten zur 1. Traditionellen Göttinger Hanfparade

Cannabis ist kein Brokkoli und der Staat sorgt sich nur um unsere Gesundheit.

Doch es steckt mehr dahinter.

Schaut man sich die Entstehungsgeschichte der Cannabis-Prohibition an, erkennt man auch den rassistischen Hintergrund, der seit den 30er Jahren in der Propaganda gegen Marihuana-Konsum mitschwingt und bis heute nicht wegzuleugnen ist. Doch wieso ist das so? Warum zum Beispiel plant New York aktuell die Cannabis-Legalisierung als Anti-Rassismus-Kampagne? 

Dies hat sehr viel mit der Geschichte des Konsums bzw. dessen Verbot zu tun und die Verwendung rassistischer Stereotypen in der massiven Propaganda gegen Cannabis oder Marihuana. Schon diese beiden unterschiedlichen Bezeichnungen geben einen Hinweis: Während lange Zeit der Begriff Cannabis verwendet wird, der einfach für Hanf steht, taucht der aus dem Mexiko stammende Begriff „Marijuana“ etwa ab 1910 auf und gewinnt mit der US-Kampagne gegen den Konsum an Popularität. Diese ist von Anfang an eng mit dem Rassismus gegen mexikanische Einwander*innen verwoben.  

Als Folge des in Mexiko herrschenden Bürgerkriegs kommt es zu dieser Zeit zu einer verstärkten Einwanderung in die USA, die bei vielen US-Bürger*innen Ängste schürt. Harry J. Anslinger, Chef des Federal Bureau of Narcotics, schlägt genau in diese Kerbe der Fremdenangst und verbindet die „Mord-Droge“, das „Wahnsinnskraut“ mit dem üblen Fremden, der in das Land kommt um zu plündern und zu morden.  

Schon bald sind aber nicht nur Mexikaner*innen das Ziel sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen, die der durchschnittlichen weißen Bevölkerung ein Dorn im Auge sind. 

 Anslinger selbst fasst es einmal so zusammen: 

„Es gibt insgesamt 100.000 Marijuana-Raucher in den USA und die meisten sind N-Wort, Hispanos, Filipinos und Entertainer. Die satanische Musik, dieser Jazz und Swing, sind das Resultat des Marijuanakonsums. Dieses Marijuana lässt weiße Frauen sexuelle Beziehungen zu N-Wort, Entertainern und vielen anderen suchen!“ Zitatende!

Marijuana wird also nicht nur als eine gefährliche Droge behandelt, sondern es geht gleich einem ganzen Lebensgefühl an den Kragen und den von Migrant*innen geprägten Milieus. Für die Cannabis-Gegner*innen ist es die passende Droge zum Feindbild des dunkelhäutigen Fremden mit schlechten Absichten. Während Alkohol nach der Prohibition schnell als Gesellschaftsdroge rehabilitiert wird, wird der Konsum von Cannabis als subversiv, bedrohlich und auch immer wieder als Droge der dunkelhäutigen Bevölkerung dargestellt.  

Die 68er Bewegung und New-Age-Philosophien verändern die Sichtweise zwar etwas und machen Cannabis zur Hippie-Droge, doch auch hier wird mit dem Bild von Cannabis als staatszersetzende Substanz gespielt. Wer kifft steht außerhalb der Gesellschaft – ob nun ungewollt oder gewollt. 

Der Unterschied ist allerdings bis heute, wer kifft: Ein Weißer oder jemand mit Migrationshintergrund.

verhaftet als Weiße. Belastbare Zahlen gibt es hierzu aus dem Bundesstaat New York, dort werden Schwarze 4,5-mal häufiger wegen Gras verhaftet als Weiße. 

In Brooklyn und Manhattan werden Schwarze neunmal häufiger  verhaftet als Weiße. 

Man hat erkannt, dass die Kriminalisierung von Cannabis vor allem für diese gesellschaftlichen Gruppen besonders oft und besonders massive Nachteile hat.  

In Deutschland gibt es hierzu bislang keine belastbaren Zahlen, denn niemand hat die Absicht eine Rassismusstudie über die Polizei durchzuführen, außer uns.

Doch allein die Darstellung von Dealer*innen und der Drogenmafia in unseren Medien, in Film und Fernsehen zeigt, dass es auch bei uns ähnliche Klischees gibt. Die Täter*innen im Drogenmilieu heißen hier eher Ali als Horst, Thomas ist eher armes Opfer seiner Sucht, während Mustafa die Scheine scheffelt. Ganz normale Konsument*innen, die einfach nur aus Spaß kiffen und denen es gut geht? – Nur in absurden Komödie denkbar. 

Doch die Motivation für eine wie auch immer geartete Drogenpolitik sollte Gesundheitsschutz der Bevölkerung sein und niemals von anderen Motiven wie Rassismus, Kontrolle oder Spaltung der Gesellschaft geleitet sein. Deswegen führt der Weg zu einer zeitgemäßen Cannabis-Politik nur über eine Entkriminalisierung.  

Cannabis ist kein Brokkoli, aber die Prohibition ist Rassismus.