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Veröffentlicht am 22. September 2022 von Lisa Balkenhol

Unter dem Motto „Lauwarmer Herbst des Unmuts“ ruft die PARTEI Göttingen am 1.10.22 zu einem Protestzug durch die Göttinger Innenstadt, sowie zu verschiedenen Mitmachaktionen am Gänseliesel auf. Geplant sind u. a. ein „Wutredner-Wettbewerb“ sowie das gemeinsame Erstellen von Protestplakaten.

„Die Warnungen der Medien und des Verfassungsschutzes vor einem „Heißen Herbst“ und einem „Wutwinter“ schüren große Sorgen bei uns. Insbesondere sehen wir die große Gefahr, dass Protest an sich nun vollkommen uncool wird und zu einem reinen Ausdrucksmittel für geschichtsvergessene Schwurbler*innen aller Art verkommt. Es ist ja nicht nur die rechte Gesinnung, die uns bei den Montagsdemonstrationen regelmässig abstößt sondern auch die absolute Stillosigkeit, mit der der Protest vorgetragen wird. Uns fehlt da eindeutig die Contenance und Würde. Natürlich sind wir auch mit der Gesamtsituation unzufrieden aber das kann man dann doch auch so sagen, anstatt unentwegt hasserfüllte Parolen heraufzubeschwören. „Wutwinter“- geht’s auch ein bisschen kleiner?“ so Flo Lillpopp, Kreisgeschäftsführerin.

Dass es vor allem stilsicher geht, will die PARTEI am 1.10. zeigen und bietet u.a. einen Wutredner-Wettbewerb und weitere Unmutsspiele an. Oberstes Ziel: Es sollen für das eigene Unbehagen passende Worte gefunden werden und so der Unmut kanalisiert werden, ehe blinde Wut überhaupt entsteht.

Queervorsitzender Nico Schmidt erläutert: „Unsere Sprache bietet so viele Nuancen, die wir auch ausschöpfen wollen. Natürlich macht einen so manches was zurzeit passiert auch mal richtig wütend – aber seien wir mal ehrlich: Wie oft kommt das vor? Sind wir nicht meistens einfach nur erschöpft und resigniert? Ist es nicht manchmal einfach so ein diffuses Unbehagen und eine gewisse Melancholie, die uns bei Berichten über Krieg, Energie und Klimakrise erfüllt? Mit unserer Aktion „Lauwarmer Herbst des Unmuts“ wollen wir diese feinen Schattierungen abbilden.“

Lisa Balkenhol, Kreisgeschäftführerin ergänzt: „Zurzeit ist es leider so, dass man in dem allgemeinen Protestportfolio eigentlich nur die Wahl hat, zwischen Demos von Querdenkern – also Rechtsextremen, die sich als Hippies verkleidet haben –  oder eben dem Gegenprotest zusammen mit der Antifa. Macht schon Spass, aber auf Dauer ist das leider mit den Blockaden ziemlich anstrengend und auch nicht sehr abwechslungsreich. Außerdem verbraucht man sein ganzes Protestpotenzial gegen querdenkende Vollpfosten anstatt für Dinge, die wirklich wichtig sind: z. B. die Bierpreisbremse oder die Legalisierung von Cannabis.“

Laut der PARTEI Göttingen, fehlen in der aufgeheizten Debatte, die Zwischentöne. Außerdem, so die Bergbaubeauftragte Mathias Rheinländer: „Heißer Herbst? Wo soll denn die Energie dafür herkommen? Wenn die Wohnungen kalt sind, die Werbebeleuchtung in der Stadt abgeschaltet wird und als einzig warme Zuflucht für die vom Kapitalismus Gebeutelten die Saunalandschaft der Eiswiese bleibt, wird wohl niemand die Kraft haben, seine Mistgabel für den nächsten Fackelmarsch aus dem Keller zu kramen. So wie es gerade aussieht, können wir froh sein, wenn es für eine lauwarmen Hebst des Unmuts reicht.“

Eben für diese große Zielgruppe der „Mütenden“ möchte die PARTEI mit ihrer Aktion ein Angebot schaffen. Landtagskandidatin Marcel Orth hierzu: „Gemeinsam wollen wir aggressionsfreie politisch korrekte Demo-Plakate entwerfen, die niemandem weh tun, aber die Facetten der eigenen Befindlichkeit zum Ausdruck bringen. Ich bin nicht wütend, ich bin nur enttäuscht!“

In einem Wutredner-Wettbewerb wollen wir die Spielarten passiv-aggressiven Understatements ausloten. Am Ende der Veranstaltung werden wir dann wieder zurückziehen zum Sehnsuchtsort aller Berufspendler*innen und Demonstrant*innen: dem Göttinger Bahnhof. Dort werden wir uns nach einer Gedenkminute für das 9-Euro-Ticket selbst auflösen und den Rest des Abends mit ‚Netflix und chillen‘ verbringen.

Die Veranstaltung beginnt um 11 Uhr auf dem Bahnhofsvorplatz.